Gundula Schildhauer: "So manches Mal spreche ich schnell aus, was ich denke!"

Gundula Schildhauer ist die Gründerin des Fachgeschäftes „Liebhabereien“. Im September 2017 wurde ein Umzug von der Altstadt in die Osterstraße 3 notwendig.
Lächelnd öffnet mir Gundula die Tür und ich betrete die wunderbaren neuen Räume im dritten Stock.
Dank „Paula kommt“ und vielen anderen Sendungen rund um das Thema Sex ist die Branche aus der Schmuddelecke herausgetreten. Es geht darum dem Thema Sexualität eine größere Beiläufigkeit oder Normalität zu geben.

Wer ist Gundula eigentlich?

Oh, das ist eine spannende Frage. Ja, Gundula ist schon seit langer, langer Zeit selbstständig. Früher noch in anderen beruflichen Zusammenhängen. Sie ist Mutter eines schon fast erwachsenen Sohnes und auch sehr gern liebende Ehefrau. Ich habe das große Glück mit meinem Mann schon seit 25 Jahren zusammen zu sein. Ja, und was bin ich noch? Ich bin Ladeninhaberin, Chefin und ein interessierter Mensch. Ich interessiere mich für wahnsinnig viele Dinge. Ich lese viel, ich versuche immer einen sehr offenen Geist zu haben. Ich interessiere mich auch sehr für Politik. Ja, die Frage danach, wer ich eigentlich bin ist schon spannend. Ich habe viele, wirklich viele verschiedene Interessen.

Dein ursprünglicher Weg war ja mal ein anderer.

Ich habe eine bunte Biografie. Inzwischen gibt es die ja immer öfter. Aber ich glaube, bei mir ist sie besonders bunt. Ich war lange Zeit leidenschaftlich als Tauchlehrerin tätig. Ich arbeitete sowohl in Hannover als auch im Ausland. Es ist ein großes Glück, dass ich die vielen Länder erleben durfte. Es ist nochmal ein Unterschied in einem Land zu leben, oder es als Touristin zu erfahren. Das Wertvollste daran ist, dass ich alles gemeinsam mit meinem Mann teilen und erleben durfte. Danach studierte ich Diplompädagogik für Erwachsenenbildung, arbeitete kurz in diesem Bereich und entschied mich dann für die Selbständigkeit. Es sollte ein Laden für Erotisches werden. Das war zunächst nur eine Idee, denn einen solchen Laden gab es so noch nicht und genau das hat mich gekickt.

Wenn es das noch nicht gab, wie hat dein Umfeld reagiert, insbesondere deine Familie?

Ich habe das große Glück, dass meine Familie ganz positiv reagierte und mich wirklich unterstützt hat. Da gab es kein: „Oh nein, das kannst du doch nicht machen!“ oder stilles Entsetzen. Es war eher ein verständnisvolles Nachfragen nach dem Warum und Wie. Mein Mann fand die Idee vom ersten Tag an super und sagte: „Ja mach das mal, das ist einfach eine gute Sache.

Hat diese große Unterstützung deinen Weg nochmal zusätzlich gestärkt?

Ich war mir vom ersten Moment an sicher, dass ich diesen Laden möchte. Ein ähnliches Konzept gab es damals in Bremen. Ich fuhr nach Bremen und als ich in diesem Laden stand gab es keine Fragen mehr, es war vollkommen klar. „Das ist es, was ich machen will.“ Ich kann es schwer beschreiben! Es sind tiefe innere Erkenntnismomente.
Im Grunde genommen war ich seit Ende meines Studiums auf der Suche. Ich arbeitete damals als Dozentin und stellte mir immer wieder die gleiche Frage:“ Was mache ich jetzt wirklich mit meinem Studium.“ Danach lernte ich den Laden in Bremen kennen und es hat mich wirklich sofort ergriffen.

Bist du eher der Kopfmensch, oder der Bauchmensch?

Ich glaube, ich bin eine gute Mischung. Ich brauche, um etwas umzusetzen definitiv ein klares inneres Bauchgefühl, das aus einer tieferen Erkenntnis kommt. Ein inneres „Ja!“
Dann gibt es noch meine rationale Seite. Ich rechne, schaue mir die Finanzierung an, schaue genau, was ich dafür brauche, informiere mich sehr gründlich und bin dann in der Umsetzung auch eher rational.

Ist der Ausgleich dieser beiden Seiten das Erfolgsrezept?

Ja, ich glaube das ist notwendig. Ich hatte auch schon Geschäftspartnerinnen, die mehr die kreative Seite bedienten. Aber das allein reicht nicht, um selbständig zu sein. Man braucht eine gewisse Kraft, Schwankungen aushalten zu können. Man braucht einen langen Atem. Wenn man sich selbständig macht, dann funktioniert es mit großem Glück sofort. Aber in den meisten Fällen braucht es eine Anlaufzeit. Im Einzelhandel spricht man von ca. drei Jahren. Ohne diesen langen Atem sollte man besser gar nicht erst anfangen.

Wie wichtig sind dir Träume und Visionen?

Absolut wichtig! Ich hatte eine Vision von diesem Laden!
Ich wollte einen Raum für Frauen schaffen, der es ihnen ermöglicht, ihre Sexualität in den verschiedensten Facetten kennen zu lernen – ein Raum ohne Bewertung ihres Körpers, ohne Bewertung ihrer Fantasien und ihrer Vorstellungen – ein Raum in dem sie ihre Naivität entdecken können. Ich erlebe es immer wieder, wie sich viele Frauen entschuldigen: „Ich bin ja Anfängerin, ich hab’ ja keine Ahnung.“ Und genau das ist es! Es gibt keinen Anfang und kein Ende, keine Fortgeschrittenen und keine Meister in der Sexualität. Ich lege keine Bewertungsmaßstäbe an. Frauen haben hier einfach den Raum verschiedene Facetten wahrzunehmen, Neues auszuprobieren und Wünsche zu äußern, die bisher unaussprechlich waren.
Es gibt noch sehr viel zu entdecken!

Haben sich deine Kunden mit dir weiterentwickelt?

Ja, ich habe ein absolutes Gefühl dafür, dass das Thema Sexualität in der Gesellschaft mehr und ganz selbstverständlich Raum bekommt. Ich würde sagen, es bekommt vor allem mehr Medienpräsenz. Natürlich ist es noch immer eine intime Sache und so soll es auch bleiben. Aber es ist auch noch immer ein Tabuthema.
Ich würde mir eine wertungsfreiere Form wünschen und eine ergebnisoffenere Berichterstattung oder Umschreibung von sexuellen Themen. Ich bin fest überzeugt, das wird Stück für Stück besser.

Gab es auch mal Zeiten wo du deine Branche hinterfragt hast, oder sie sogar in Frage gestellt hast?

Ja, aber das hat etwas mit meinem eigenen Horizont zu tun. Als ich den Laden eröffnete, nahm mir vor, diesen 10 Jahre zu führen. Ich kann es mir heute selbst nicht erklären! Denn damit hatte ich mir selbst eine Schranke in den Kopf gesetzt. Und dann kamen die zehn Jahre näher!
Die große Aufgabe stand im Raum: Ich muss irgendetwas anderes machen“, Es war wirklich eigenartig! Die Gedanken überschlugen sich im Kopf!
Ich begann also eine Weiterbildung zur Sexualberaterin/Sexualtherapeutin. Ich erweiterte mein Angebot und habe erkannt, dass diese von mir gesetzte Grenze von 10 Jahren vollkommen unnötig war.
Mein Resümee: Ich habe viele Stammkunden und –kundinnen, viele interessierte Damen und Herrn, die mein Unternehmen wertschätzen – also wischte ich die Hürde weg.

Kannst du dich noch an deinen Eröffnungstag erinnern, wie hast du dich da gefühlt?

Ja, ich kann mich tatsächlich sehr gut dran erinnern. Ich habe Liebhabereien damals mit einer Geschäftspartnerin gegründet. Wir waren natürlich freudig aufgeregt. Wir hatten im Vorfeld viel Unterstützung aus dem Freundeskreis, es war einfach toll. Viele helfende Hände, auch als es darum ging den Laden einzurichten. Alle waren eigeladen, Freunde, der gesamte Bekanntenkreis, alle helfenden Hände. Wir hatten eine wirklich nette Feier. Die Gäste standen bis auf dem Bürgersteig und die Straße hinaus. Und später kam auch die Prominenz vorbei, aus der Politik und schaute ganz interessiert (lacht). Ich nenne keine Namen!
Funk und Fernsehen berichteten sowohl in der Vorbereitungsphase, als auch kurz nach der Eröffnung. Wir sind ganz positiv aufgenommen worden, zumindest, was das Medieninteresse anbelangte. Das war ein ganz großes Glück für uns. Unsere Geschäfts-nachbarn hier mussten uns erstmal kennen lernen. Bei dem Thema Sexualität haben viele Menschen halt relativ negative Bilder im Kopf. Aber diese Phase dauerte nicht lang an. Wir waren schnell integriert.

Fühlst du dich selbst außergewöhnlich?

Nein, überhaupt nicht.

Aber, im eigentlichen Sinne des Wortes, außer-gewöhnlich?

Ich glaube, dass die Idee des Ladens für viele Menschen immer noch außergewöhnlich ist. Für mich selbst, als Gundula trifft das überhaupt nicht zu. Ich bin sowas von durchschnittlich (lacht), auf eine gewisse Art bin ich total durchschnittlich.

Du bist sehr geerdet, wie empfindest du das?

Ja, ja das bin ich tatsächlich. Vielleicht liegt’s am Sternzeichen, keine Ahnung. Ich bin in einem Einfamilienhaus am Stadtrand groß geworden. Im ersten Anlauf zum Abitur hatte ich keine Lust, habe erst einmal abgebrochen und bin ein bisschen durch Europa gereist. Ich war sicherlich schon immer ein Freigeist.

Du hast ja eine schöne Direktheit, war das schon immer so oder ist das erst mit den Jahren gekommen?

Meine Offenheit finde ich gut. Meine Direktheit, …. . Ja, leider bin ich nicht zur Diplomatin geboren! Ich war schon immer sehr direkt! Ich sage deshalb leider, weil es für einige Menschen nicht so einfach ist, mit dieser Direktheit umzugehen. Ich bin sehr schnell, denke wahnsinnig schnell, handle schnell und ich spreche auch zu schnell. (lacht)
So manches Mal spreche ich schnell aus, was ich denke!

Wie wichtig sind dir Werte und welche Werte hast du selbst?

Dieser Begriff „Werte“ ist so wahnsinnig groß.
Ich versuche ein netter Mensch zu sein, für andere da zu sein, andere zu unterstützen. Ich versuche Mitgefühl zu haben ausnahmslos allen Menschen gegenüber.
Der Weltfrieden liegt mir am Herzen. Aber für mich ist auch klar, den muss ich erst mal in mir selber herstellen.

Gibt es Visionen für Liebhabereien und ganz groß denken. Wo kannst du dir Liebhabereien vorstellen?

Das ist schön, dass du das fragst! Das ist genau das, was ich am liebsten habe! – wirklich ganz weit zu denken und mich dann mal nicht bremsen zu lassen von Zahlen und Realität. Ich würde mir Liebhabereien wünschen, als noch viel, viel mehr als es jetzt ist – als ein Zentrum für erotische Kultur. Das ist es eigentlich, was ich mir wünschen würde und was ich machen möchte. Ich wünsche mir ein Zentrum für erotische Kultur, das heißt, es gibt nicht nur erotische Produkte, sondern es ist auch ein Treffpunkt für Menschen, die Interesse haben an allen Facetten von Erotik. Ein Zentrum, in dem es Workshops, Lesungen und Veranstaltungen gibt, wo sich Menschen treffen können, um in einen Austausch miteinander zu gehen und um sich kennen zu lernen. Ich verwirkliche das hier sicherlich zum Teil schon. Am Wochenende kommen Menschen zum Beispiel aus einem Joyclub, um sich hier zu treffen und um zu shoppen.

Deine Entscheidung für Hannover ist ganz bewusst getroffen worden. Worauf basiert deine Entscheidung?

Wie heißt es so schön: “Die Niedersachsen, sturmerprobt und erdverwachsen.“ Ich hab im Ausland gelebt, eine schöne und wichtige Phase, aber Hannover ist meine Heimatstadt und ich fühle mich total wohl hier, ich kenne mich hier total gut aus.

Was liebst du an Hannover?

Das, was immer kritisiert wird, – die Mittelmäßigkeit. Ich liebe das! Ich finde es fantastisch und zwar in dem Sinne, dass wir von allem etwas haben. Wir haben ein großes kulturelles Angebot, tolle Museen, Kunstaustellungen und Galerien. Wir haben erfolgreiche Unternehmer, die immer wieder etwas Neues kreieren. Wir haben eine super Infrastruktur, an der zu oft rumgeschraubt wird. Wir sind die grünste Großstadt Deutschlands und das finde ich fantastisch. Diesbezüglich sind wir nicht mittelmäßig. Ich bin ein Mensch der wirklich gerne in der Natur ist und das brauche ich für meine Erdung.

Wo ist dein Lieblingsplatz in Hannover?

Ganz klar: Georgengarten. Das ist einfach meine Heimat. Die ganze Kindheit von meinem Sohn haben wir draußen im Georgengarten verbracht. Dort haben die Kinder gespielt, wir haben uns mit Freunden getroffen, da wurde gepicknickt. Wir hatten eine fantastisch gute Zeit.“

Dein Lieblings Kulturtipp, von den vielen?

Oh, das ist jetzt aber schwierig. Also ich hab einige, ich gehe unheimlich gern in die Kestner Gesellschaft, finde die Ausstellungen immer wieder fantastisch und inspirierend. Ich mag die Führungen, weil ich meine eigenen Gefühle und Gedanken habe, aber ich habe gern noch ein paar professionelle Worte dazu. Die erweitern manchmal meinen Blick und mein Verständnis und das finde ich großartig.

Hast du ein Lieblingsrestaurant in Hannover?

Nein, da gibt es mehrere. Ich gehe am liebsten richtig gut essen, z.B. im „Zauberlehrling“. Das Restaurant finde ich fantastisch. Das ist einfach Genuss pur und zugleich eine Erweiterung der Sinneserfahrung. Ich gehe gerne auch mal im Kiez essen oder in`s „Spandau“. Da gibt es leckere Sachen, vegetarisch und frisch. Auch im Sommer draußen ganz klar „Kaisers“, das ist meine zweite Küche. Es ist gleich um die Ecke und es gibt einfach gute Hausmannskost.

Hannover ist…?

Grün.

Weiterführende Informationen auf der Webseite: www.liebhabereien.com

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